KÜNSTLERBAHNHOF
Georg Gartz und Pete Clarke sind vom englischen Landschaftsmaler fasziniert
Von Beate Vogt-Gladigau
BAD MÜNSTER AM STEIN-EBERNBURG - Die beiden renommierten Künstler Georg Gartz aus Köln und Pete Clarke aus Liverpool treffen sich seit 17 Jahren jeweils einmal im Jahr zu einem gemeinsamen Projekt. Seit das Künstler-Duo vor einiger Zeit den Maler William Turner entdeckte, sind sie in den Bann des englischen Landschaftsmalers geraten und ihm auf der Spur. Schön, dass Turner 1844 im Alter von 69 Jahren auf seinem Weg nach Venedig den Blick auf den Rheingrafenstein, die Ebernburg und Winkel in Bad Kreuznach suchte. Denn dieser Hintergrund führte jetzt auch das Künstler-Duo aus Köln und Liverpool an die Nahe und in den Künstlerbahnhof Ebernburg.
„Wir sind fasziniert von Turners Weg der Abstraktion und wie er mit Licht umgeht“, meint Gartz. Bei einem Workshop auf der Ebernburg im vergangenen Jahr hatte er den „Turner-Blick“ auf der Pouilly-Brücke entdeckt – eine Schautafel mit dem Druck von Turners Arbeit auf die Burg und den Rotenfels. Mit „Turner-Blicken“ hatte der Rotary Club vor vier Jahren auf Turner aufmerksam gemacht, der die Felserhebungen am Naheufer dramatisiert, die Ebernburg in eine alpine Landschaft versetzt und in der typischen Handschrift seines Spätwerkes beobachtet und verfremdet hatte. Licht und Stimmung bestimmten die atmosphärische Formensprache. Er gilt als Vorbereiter des Impressionismus und der abstrakten Kunst des 20. Jahrhunderts.
Die gemeinsamen Arbeiten von Clarke und Gartz entstanden im Wesentlichen während ihres Aufenthaltes im Bahnhof seit Anfang September, und zwar im künstlerischen Dialog. „Das Ergebnis sind Arbeiten, die Elemente beider Künstler zu einer neuen Einheit zusammenfügen, wobei die Sprache des einen eine neue Dimension bekommt im Zusammenhang mit der des anderen“, so Gernot Meyer-Grönhof bei der Eröffnung der Ausstellung „Naheblick – Auf den Spuren von William Turner“. Der Kreuznacher Maler und Grafiker führte in die Arbeiten des Duos ein, die ebenso wie Turner Skizzen vor Ort erstellten, sich im Atelier aber davon entfernen und die „Notizen“ abstrahieren.
Die Arbeitssituation stellt sich dann so dar, dass beide auf einer Leinwand mit dem Bild beginnen, dann an den anderen weitergeben. Jeder gibt also etwas vor und jeder reagiert. Die ersten Ergebnisse vor Ort sind die Arbeiten mit dem Titeln „Rheingrafenstein 1, 2 und 3“. Der Reiz entsteht auch dadurch, dass die Arbeiten von Pete Clark zeichnerisch geprägt und farblich zurückhaltender sind, die von Gartz von der Farbe und von Formen dominiert werden. Der Zusammenklang der beiden Stilelemente in mehreren Schichten und die oft expressive Weiterentwicklung („Blauer Portugieser“) sind sehenswerte Experimente, die kompositorisch stimmig sind.
Unumwunden geben beide zu, dass sie sich dabei durchaus auch ins Gehege kommen können. „Aber wir kommen trotzdem immer zu einer Lösung – wir kriegen das geregelt“, schmunzelt Gartz. Denn plötzlich fügt sich der ursprüngliche „Fremdkörper“ spannungsreich in die Komposition ein oder die Zeichnung behauptet sich trotzdem. Auch Meyer-Grönhof hatte beobachtet, wie Gartz „entsetzt“ war, als Clarke mit einem kräftigen Rot über das geliebte Gelb von ihm malte. Clarke war wohl bestimmt manches Mal geschockt, wenn seine zarte Pinselzeichnung mit einem einzigen Strich in den Hintergrund verbannt wurde. Durch die Werkphasen als Duo verändert sich außerdem für jeden der beiden auch der künstlerische Blick, wird „offener, freier und reicher“, unterstreicht Meyer-Grönhof. Neben 13 Gemeinschaftsprojekten auf Leinwand sind auch 14 Einzelbilder von Gartz und Clarke auf Papier zu sehen.
Allgemeine Zeitung, 6.0ktober 2015
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